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教师专业化、能力发展与挑战——关于职教教师教育的中德跨国比较研究
1.6.4.1 Karl-Heinz Gerholz
Karl-Heinz Gerholz

Juniorprofessor für Wirtschaftspädagogik und Higher Education, Department für Wirtschaftspädagogik, Universität Paderborn, Deutschland. Gerholz@wiwi.upb.de

Abstrakt

Eine Grundfigur des Lehrerbildungsdiskurses kann in der Austarierung von Wissenschafts- und Praxisorientierung gesehen werden. Auf der Makro- und Mesoebene geht es dabei häufig um Fragen, ob, wie viele und wann welche Praxiselemente in die universitäre Lehrerausbildung integriert werden sollen. Auf der Mikroebene geht es um die Frage der konkreten didaktischen Einbettung dieser Elemente im Studienprozess. Die Ebenen müssen zueinander abgestimmt werden. Vor allem die didaktisch-kohärente Einbettung von Praxiselementen in Studienprogrammen ist von Relevanz, um auch eine steuernde Wirkung der Praxiselemente auf den Kompetenzentwicklungsprozess der Studierenden zu erreichen. An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag an und geht der Frage nach, inwiefern Service Learning als ein didaktisches Format, welches Praxiselemente mit gemeinnützigen Bereichen verbindet, Potentiale für die Lehrerbildung aufweist. Dies wird zunächst aus eine konzeptionellen Perspektive aufgenommen, indem ausgehend von einer situationsorientierten Modellierung des Zieles von Lehrerbildung die Bezüge zum Service Learning aufgezeigt werden. Daran anschließend erfolgt eine empirische Illustration der Wirksamkeit von Service Learning-Arrangements, um darüber relevante didaktische Gestaltungsparameter für eine Integration von Service Learning in der Lehrerbildung aufzuzeigen.

Schlagworte: Service Learning, Lehrerbildung, didaktische Gestaltung, Theorie-Praxis-Verzahnung.

1  Worauf sollte Lehrerbildung vorbereiten?– Ein situationsorientierter Zugang

Der Diskurs um professionelle Kompetenz von Lehrkräften und wie diese im Rahmen der universitären Lehrerbildung gefördert werden kann, wird bereits seit mehreren Jahrzehnten geführt. Ein Referenzpunkt stellt dabei häufig die Arbeit von Shulman (1986) dar und seine Operationalisierung von professionellem Wissen in pädagogisches Wissen, Fachwissen und fachdidaktisches Wissen. Jüngere Arbeiten haben dabei u.a. auch die Bedeutung von motivationalen und volitionalen Aspekten sowie Überzeugungen herausgearbeitet (Kunter, Klusmann, 2009; Kunter et al., 2011). Grundfigur dieser Argumentation ist dabei die Frage, welche Kompetenzen Lehrende benötigen, um Unterrichtsituationen zu gestalten. Es geht um die zentralen Charakteristiken von Lehrsituationen. Hierbei können vor allem drei Aspekte herausgestellt werden:

(1) Handeln in nicht-standardisierten Situationen: Didaktische Situationen – wie z.B. nach den Berliner Modell (Heimann, Schulz und Otto, 1965) – sind geprägt von den Kontextbedingungen wie den Voraussetzungen der Lernenden (z.B. Vorwissen, Motivation) und organisatorischen Gegebenheiten (z.B. in der Schule) sowie den Gestaltungsfeldern wie Lehrziele, Inhalte, Methoden und Medien. Letztere zeigen auf, dass die Gestaltung didaktischer Situationen mit unterschiedlichen Handlungsoptionen verbunden ist. Die Bedingungsbereiche spiegeln demgegenüber wider, dass didaktische Situationen zwar geplant, deren Verlauf im „Hier und Jetzt“ aber ganz anders verlaufen kann, als es der vorherige Plan vorsieht (Sloane, 1999). Lehrende müssen somit lernen, Unsicherheit in ihren Lehralltag auszuhalten und die (nicht) geplanten Alltagsphänomene zu strukturieren, um darauf basierend ihre Handlungsentscheidungen zu treffen.

(2) Handeln im Sinne der Relationierung von wissenschaftlichen Wissen und Erfahrungswissen: Die Vieldimensionalität von didaktischen Situationen führt zu unterschiedlichen beruflichen Anforderungssituationen, die wiederum mit verschiedenen Handlungsoptionen einhergehen. Lehrende sollten dabei die Fähigkeit haben, ihre Handlungsoptionen wissenschaftlich im Sinne konzeptioneller und evidenzbasierte Zugänge zu begründen, aber auch die konkreten Bedingungen der Lehrpraxis in den Blick zu nehmen. Lehrerbildung sollte es somit ermöglichen, dass angehende Lehrkräfte die Fähigkeit entwickeln, in der Gestaltung didaktischer Situationen wissenschaftliches Wissen und berufspraktisches Erfahrungswissen aufeinander zu beziehen und zueinander Bezüge aufzubauen (Schneider und Wildt, 2003).

(3) Handeln als Nähe und Distanz zum Unterrichtsgeschehen: Verantwortung für Lernprozesse anderer zu übernehmen, bedeutet einerseits das Unterrichtsgeschehen aus der„Nähe“ zu verstehen. Es geht um die Fallbetrachtung und das Fallverstehen. Andererseits zielt Verantwortung auch darauf, „Distanz“ zum Unterrichtsgeschehen aufzubauen, um eigene Wahrnehmungen und Handlungsentscheidungen aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch zu reflektieren. Nähe und Distanz meint somit die wissenschaftlich fundierte Reflexion des eigenen Handelns, um darüber die eigene Lehrpersönlichkeit weiterzuentwickeln.

Bezieht man die situativen Zugänge aufeinander, können in Orientierung zu Weyland (2010; auch Bayer et al., 1997) drei Bezugspunkte für die Lehrerbildung (Abb.1) herausgestellt werden: (a) Wissenschaft, (b) Praxis und (c) Subjekt.[1]

Abb. 1  Bezugspunkte für Lehrerbildung Quelle: Eigene Darstellung, angelehnt an Weyland, 2010: 320.

Dabei sind vor allem die Verbindungen zwischen den Bezugspunkten von Relevanz. Die Verbindung „Wissenschaft – Praxis“ rekurriert auf die Relationierungsaufgabe zwischen wissenschaftlichen Wissen und Erfahrungswissen. Hierbei gilt es zwei Richtungen zu unterscheiden. Richtung eins zielt darauf, dass angehende Lehrende die Fähigkeit entwickeln, auf Basis ihres wissenschaftlichen Orientierungswissens (z.B. pädagogisches und fachdidaktisches Wissen) und individuellen Orientierungen didaktische Situationen zu strukturieren und zu gestalten. Richtung zwei meint die reflexive Aufarbeitung der fallbasierten Erfahrungen in der Lehrpraxis. Es geht darum, auf Basis wissenschaftlicher Theorien und Modelle die eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen in Phasen der Lehrpraxis zu systematisieren. Letzteres verweist auf die Verbindungen zum Subjekt und deren Entwicklungsprozess zu einer Lehrpersönlichkeit. Damit sind die Verbindungen„Wissenschaft – Subjekt“ und „Praxis – Subjekt“ angesprochen.

Führt man die Überlegungen zusammen, besteht das Ziel der Lehrerbildung darin, einerseits die Studierenden auf ein wissenschaftlich basiertes Handeln bei der Gestaltung didaktischer (Problem) situationen vorzubereiten. Dies schließt die Relationierungsaufgabe zwischen der wissenschaftlichen und der erfahrungsbasierten Perspektive mit ein. Andererseits geht es um die Förderung einer Haltung im Sinne eines kritisch-reflexiven Denkens und Handelns in und über Lehrsituationen, um darüber nicht zuletzt die eigene (Lehr) persönlichkeit weiterzuentwickeln.

Ausgehend von dem formulierten Bildungsanspruch ergibt sich die Anforderung, angehenden Lehrenden während ihres Studiums die Möglichkeit der Praxiserkundungen zu geben und dieses im Wissenschaftsraum ‚Studium’ vorzubereiten und zu reflektieren. Es geht um theoriegeleitete Erkundung und Reflexion gleichermaßen. Empirische Befunde zeigen bei der Integration von Praxiselementen allerdings die Tendenz, dass Studierende das unterrichtspraktische Handeln in den Mittelpunkt stellen – Primat der Praxis – und weniger ein theoriebasiertes Vorgehen und Reflexion verfolgen (Weyland und Wittmann, 2011).

Aus didaktischer Sicht ergibt sich daraus die Fragestellung, wie die Praxiselemente intentional und methodisch im Studienprozess integriert und begleitet werden. Hierzu sind geeignete didaktische Formate zu entwickeln, ausgehend von der Auswahl und Aufbereitung der zu erkundenden Praxissituationen, der Begleitung der Lernenden während des Praxiseinsatzes bis zur Reflexion und Systematisierung der Erfahrungen vor dem Hintergrund der Bezugspunkte Wissenschaft, Praxis und Subjekt. Nachfolgend soll dabei das Konzept des Service Learning aufgegriffen werden, welches curriculare Inhalte mit konkreten Problemen der Praxis in einem gemeinnützigen Kontext verbindet. Hierbei besteht das Potential, Fähigkeiten der Relationierung von wissenschaftlichem und praktischem Wissen im Anwendungskontext zu fördern und gleichzeitig einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung zu leisten.

2  Didaktische Konzeption und Wirksamkeit von Service Learning 2.1  Konzeption von Service Learning

Service Learning ist ein didaktisches Format, bei der der Lernprozess der Studierenden mit realen Problemstellungen der Praxis verbunden wird. Die Problemstellungen sollen einen Bezug zu den Inhalten des Studienganges haben. Service Learning kann somit als eine problembasierte Lernform gekennzeichnet werden (Deeley, 2010). Die Besonderheit ist dabei, dass die Problemstellungen in einem gemeinnützigen Kontext eingebettet sind, um Studierende für die Relevanz von gesellschaftlichem Engagement zu sensibilisieren. Bringle und Clayton definieren Service Learning als „competency-based, credit-bearing educational experience in which students (a) participate in mutually identified service activities that benefit the community, and (b) reflect on the service activity in such a way as to gain further understanding of course content, a broader appreciation of the discipline, and an enhanced sense of personal values and civic responsibility“ (2012). Die Bearbeitung der Problemstellungen stellt somit einen „Service“ für die kommunalen und gemeinnützigen Organisationen dar. Darüber soll ein Lernprozess initiiert werden, indem die Studierenden curriculare Inhalte erkunden und in der Problembearbeitung anwenden. In der Reflexion der gemachten Erfahrungen sollen die Studierenden ein elaboriertes Verständnis der Studieninhalte erreichen und für sich eine Position zum gesellschaftlichen Engagement bestimmen.

Das Konzept des Service Learnings basiert vor allem auf den Arbeiten von Dewey (1966) und dessen Vorstellung, in Bildungsprozessen Lernenden eine Teilhabe in der Zivilgesellschaft zu ermöglichen, um sie für ihre Rolle als Bürger in einer demokratischen Gesellschaft zu sensibilisieren. Diese Teilhabe hat nach Dewey dann einen Wert, wenn die durch die Erfahrung erlebten inneren Veränderungen vom Individuum systematisiert werden. Dewey spricht von „reflective experience“, indem die Beziehungen zwischen dem Handeln und seinen Folgen aufzudecken sind:„To ‚learn from experience‘ is to make a backward and forward connection between what we do to things and what we (.) suffer from things in consequence“ (Dewey, 1966). Darauf basierend arbeiten Godfrey, Illes und Berry (2005) drei konstituierende Elemente von Service Learning-Arrangements heraus:

(1) Realität (Reality): Das zu bearbeitende Service-Projekt der Studierenden sollte ein reales Problem in einen zivilgesellschaftlichen Kontext darstellen und eine Verbindung zu den Inhalten des Studiums haben. Dabei sollten die Studierenden mit unterschiedlichen und konkreten sozialen Herausforderungen konfrontiert werden (wie z.B. Armut, Obdachlosigkeit), um auch eine Auseinandersetzung mit sozialen Fragestellungen zu ermöglichen.

(2) Gegenseitigkeit (Reciprocity): Service Learning stellt einer partnerschaftliche Lernerfahrung zwischen den gemeinnützigen Organisationen und Studierenden zu betrachten, die ein unterschiedliches konzeptionelles Wissen und Erfahrungswissen aufweisen und darauf basierend gemeinsam das Service-Projekt bearbeiten können. Erst diese wechselseitige Beziehung ermöglicht den nachhaltigen Erfolg eines Service Learning-Projektes (Brower, 2011).

(3) Reflexion (Reflection): Die Wirkung von Service Learning hängt in hohem Maße von der Reflexion der Erfahrungen ab. Hierbei wird Dewey’s Idee der „reflective experience“ aufgenommen. Über Reflexionsprozesse sollen die Studierenden angeregt werden, nicht nur die Verbindungen zwischen der Service-Erfahrung und den Inhalten des Studiums herzustellen, sondern vielmehr auch zu thematisieren, inwiefern sich ihr Verständnis und ihre persönlichen Einstellungen zu Wertefragen der Zivilgesellschaft sich über die Serviceerfahrung entwickelt haben.

Ausgehend von den konstituierenden Elementen und Dewey’s Konzept des „reflective experience“ ist aus didaktischer Sicht beim Service Learning der Service- und Lernprozess zu differenzieren (Abb.2).

Abb.2  Didaktische Modellierung Service Learning Quelle: Gerholz und Losch, 2015

Während des Service-Prozesses bearbeiten die Studierenden in der Regel kooperativ mit den Partnern aus der gemeinnützigen Organisation die Problemstellung. Dies mündet in ein „Service-Ergebnis“ (Handlungsergebnis), welches einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität in der Kommune leisten soll (Schütze, 2012). Der Lernprozess zielt auf die Erkundung der Inhalte des Studiums und die reflexive Systematisierung der Erfahrungen. Die Lernenden sollen auf Basis der Problemstellung wissenschaftliche Konzepte und Methoden erkunden, die einen Beitrag zur Bewältigung der Problemstellung leisten und auf diese anwenden ( Dewey, 1966). Es geht um die Herstellung einer Verbindung zwischen den Service-Erfahrungen und den Inhalten des Studiums oder anders gewendet um die Relationierungsaufgabe von wissenschaftlichen Wissen und Erfahrungswissen. Die Systematisierung der Erfahrungen beinhaltet einerseits die Reflexion der Kompetenzentwicklung, indem die Lernenden ausgehend von den fallbasierten Erfahrungen im Serviceprozess ihren Zuwachs an fachlich-methodischen Fähigkeiten systematisieren. Andererseits geht es um den Aspekt der personalen Entwicklung, indem die Studierenden ein Verständnis und eine Position zu zivilgesellschaftlichen Werten und Herausforderungen aufbauen ( Gerholz und Losch, 2015).

2.2  Wirksamkeit von Service Learning

Die Wirksamkeit von Service Learning-Arrangements ist vor allem im US-amerikanischen Kontext untersucht worden. Im deutschsprachigen Kontext finden sich erst in den letzten Jahren Forschungsarbeiten zum Service Learning – v. a. im Bereich des Psychologiestudiums und der Lehrerbildung (Reinders und Wittek, 2009).

In mehreren Studien wurde das Potential von Service Learning in der zur Förderung von Problemlösefähigkeiten, empfundenen Selbstwirksamkeit im Handeln und kritischem Denken empirisch aufgezeigt (Govekar und Rishi, 2007; Peters et al., 2006; Astin et al., 2000; Astin und Sax, 1998; Metaanalyse Yorio und Ye, 2012). Studierende im Service Learning nehmen ihr Handeln wirksamer wahr als in traditionellen Veranstaltungsformen (Reinders und Wittek, 2009). Der subjektive Lernerfolg wird in Service Learning-Kursen von den Studierenden meist höher eingeschätzt als in traditionellen Veranstaltungsformen (Reinders, 2010; Peters et al., 2006), was sich u. a. in einem elaborierteren Verständnis der curricularen Inhalte und deren Anwendung auf reale Problemstellungen äußert (vgl. Simons und Cleary, 2005; Eyler und Giles, 1999).

Bezüglich der personalen Fähigkeiten, kommen Yorio und Ye (2012) in einer Metaanalyse zu dem Ergebnis, dass Service Learning-Arrangements positive Effekte für ein Verständnis von sozialen Herausforderungen und damit einhergehenden personalen Einsichten haben. In den vorliegenden Studien werden personale Fähigkeiten unterschiedlich operationalisiert und es gibt Hinweise, dass ein Bewusstsein für soziale Herausforderungen (Markus et al., 1993), eine Veränderung des Selbstbildes (Reinders und Wittek, 2009) und der Empathiefähigkeit (Govekar und Rishi, 2007; Brown, 2011) sowie die Engagementbereitschaft (Prentice und Robinsohn, 2010) gefördert werden können. Für den deutschsprachigen Kontext können Reinders und Wittek (2009) zeigen, dass sich das Selbstbild der Studierenden beim Service Learning verändert, wenngleich dieses nicht mit einer Zunahme der Engagementbereitschaft einhergehen muss.

In den empirischen Studien zur Wirksamkeit von Service Learning werden in der Regel die Lernergebnisse beschrieben. Aspekte der didaktischen Ausgestaltung der untersuchten Service Learning-Arrangements und deren Einfluss auf die Wirksamkeit werden meist nicht aufgenommen. In einigen Studien werden aber Moderatorenvariablen integriert, die Rückschlüsse auf die didaktische Gestaltung zulassen. Auf der curricularen Ebene zeigen sich Hinweise, dass ein kursbasiertes Service Learning, d.h. eine curriculare Verankerung im Studienprozess, stärkere Effekte hat als ein extracurriculares Arrangement (Yorio und Ye, 2012; Astin et al., 2000). Befunde auf der mikrodidaktischen Ebene zeigen auf, dass die Entwicklung der fachlichen und methodischen Fähigkeiten besser ausgeprägt ist, wenn die Studierenden ihr Service-Projekt freiwillig wählen (Yorio und Ye, 2012) und konkrete Ansprechpartner in den gemeinnützigen Organisationen zur Verfügung stehen (Batcheler und Root, 1994).

2.3  Zwischenfazit: Potentiale für die Lehrerbildung

Service Learning kann als Rahmenkonzept für die Gestaltung von Praxiselementen im Lehramtsstudium fungieren. Studierenden wird die Möglichkeit eröffnet, vor dem Hintergrund konkreter praktischer Problemstellungen wissenschaftliches Wissen und Erfahrungswissen im Service-Projekt zu situieren und zueinander in Bezug zu setzen. Auch geht es um die Fähigkeit, Nähe und Distanz zu einem praktischen Geschehen aufzubauen. Nähe im Sinne der kooperativen Bearbeitung der Problemstellung mit den Partnern der gemeinnützigen Organisation. Distanz im Sinne der Betrachtung der Problemstellung aus unterschiedlichen theoretisch fundierten Perspektiven. Distanz zielt aber auch auf die Reflexion der gemachten Erfahrungen. Die Spuren des eigenen Handelns im Service-Projekt sollen beleuchtet werden, um die dabei entwickelten Fähigkeiten zu beschreiben und aus Perspektive des Subjektes – des Studierenden – Passungen zwischen wissenschaftlichen Wissen und Verfahren und Anforderungen in praktischen Problemsituationen aufzudecken. Hierbei spiegeln sich die Bezüge „Wissenschaft“, „Praxis“ und „Subjekt“ wider (Abschnitt 1). Darüber hinaus sollen die Studierenden auf Basis der wahrgenommenen und erlebten sozialen Herausforderungen und Bedürfnisse im Service-Projekt ein Verständnis für zivilgesellschaftliche Wertebasen entwickeln und auch eine Positionsbildung zu Engagement in der Zivilgesellschaft angeregt werden. Für die Lehrerbildung ist dies ein relevanter Aspekt, da u. a. in den Standards der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Lehrerbildung herausgestellt wird, dass Lehrer die Aufgabe haben, ihren Schülern Werte und Normen einer demokratischen Gesellschaft zu vermitteln, was impliziert, dass Lehrer die in einer Gesellschaft vorhandenen Werte und Normen kennen und reflektieren (KMK, 2004). Service Learning kann dafür einen didaktischen Rahmen bieten, da die zu bearbeitenden Problemstellungen einen Bezug zu zivilgesellschaftlichen Kontexten und deren Wertebasen aufzeigen sollen.

Letzteres macht aber auch deutlich, dass beim Service Learning ein Praxisfeld zugrunde liegt, welches weniger die traditionellen Praxiselemente in der Lehrerbildung meint wie z. B. die Erkundung und Erprobung unterrichtliches Handeln an Schulen. Vielmehr geht es um Praxissituationen, die konkrete Bezüge zu sozialen Herausforderungen in einer Zivilgesellschaft aufzeigen. Dies würde prinzipiell auch für Situationen im Handlungsfeld Schule vorliegen. Die Besonderheit beim Service Learning liegt aber darin, weniger das konkrete zukünftige berufliche Handlungsfeld der Studierenden abzubilden, sondern vielmehr strukturell ähnliche Anforderungssituationen in einem gemeinnützigen Kontext aufzunehmen. Die Verbindung zu den curricularen Inhalten des Studiums ist dabei weiterhin elementar. Dies können Service-Projekte sein, die sich mit der Gestaltung didaktischer Situationen im gemeinnützigen Bereich beschäftigen wie z. B. didaktische Materialienentwicklung für sozial benachteiligte Kinder, Unterrichtung von Obdachlosen zu Entwicklung ökonomischer Kompetenzen oder Umgang mit Benachteiligungen sowie mit Heterogenität in gemeinnützigen Bildungskontexten. Die Beispiele machen deutlich, dass die didaktische Modellierung der Service-Projekte in Korrespondenz mit den (fachlichen) Schwerpunkten und disziplinären Bezugssystemen im Lehramtsstudium zu erfolgen hat. Den Studierenden muss die Möglichkeit gegeben werden, innerhalb der Service-Projekte auch die im Studium erworbenen Fähigkeiten wie z.B. pädagogische oder fachdidaktische Elemente über den Problemkontext zur Anwendung zu bringen.

Wird der Blick auf die empirischen Befunde zur Wirksamkeit von Service Learning gerichtet, so kann quergelesen festgehalten werden, dass Service Learning die anvisierten Potentiale erfüllen kann. Die in Abschnitt 2.2. vorgestellten Befunde illustrieren, dass v. a. Aspekte der Problemlösefähigkeit und Selbstwirksamkeit, aber auch die Entwicklung eines Bewusstseins für soziale Herausforderungen gefördert werden. Gleichzeitig ist aber anzumerken, dass die in den Studien untersuchten Service Learning-Arrangements meist eine hohe Variationsbreite in der didaktischen Gestaltung aufweisen und somit die Vergleichbarkeit der Befunde eingeschränkt ist. Weiterhin stammen die meisten Studien aus den US-amerikanischen Raum, in welchen traditionell die Idee einer Gemeinwohlorientierung in Bildungsprozessen stärker verankert ist (Gerholz, 2015; Muller, 1999).

Zusammenführend zeigt sich somit ein Forschungs- und Entwicklungsbedarf hinsichtlich der didaktischen Gestaltungsmöglichkeiten von Service Learning in der Lehrerbildung. Hierbei geht es u. a. um die Frage der disziplinären Bezüge in Lehramtsstudiengängen und deren Modellierung über die Service-Projekte sowie die methodische Begleitung der Studierenden in den Service-Projekten, um auch eine reflexive Systematisierung der Erfahrungen vorzunehmen. Weiterhin ist die Frage der Wirksamkeit von Service Learning auf die Kompetenzentwicklung der Studierenden v.a. in Korrespondenz zu den didaktischen Gestaltungselementen für den deutschsprachigen Raum näher zu untersuchen. Nachfolgend sollen diese Desiderata aufgenommen werden und ausgewählte empirische Ergebnisse einer Pilotstudie zur didaktischen Gestaltung von Service Learning und deren Wirksamkeit dargestellt werden.

3  Didaktische und empirische Illustration zur Verankerung von Service Learning im Studium

3.1  Kontext der Pilotstudie

Die Pilotstudie basiert auf einen Service Learning-Modul in einem Bachelor of Science-Studiengang der Wirtschaftswissenschaften. Im Modul bearbeiten die Studierenden in Gruppen wirtschaftswissenschaftliche aber auch wirtschaftspädagogische Problemstellungen in gemeinnützigen Organisationen, da das Modul auch von Studierenden belegt wird, die später den Lehramtsstudiengang Master of Education Wirtschaftspädagogik wählen. Die Problemstellungen sind jeweils aus den Handlungsfeldern der gemeinnützigen Organisationen heraus mit sozialen Bedürfnissen verknüpft. Aus curricularer Sicht besteht das Ziel des Moduls darin, dass sich die Studierenden ein Repertoire zu Verfahren und Methoden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aneignen. Basierend auf den Problemstellungen der gemeinnützigen Organisationen bestimmen die Studierendengruppen ihr Erkenntnisinteresse, wählen entsprechende Methoden zur Bearbeitung aus, wenden diese auf die Problemstellung an, entwickeln auf Basis der Ergebnisse Lösungen für die gemeinnützigen Organisationen und reflektieren die Potentiale und Grenzen der eingesetzten Methoden. Hinsichtlich der didaktischen Gestaltung werden die Studierendengruppen durch Inputphasen zum Aufbau von Forschungsprozessen und Methoden in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Beratungsphasen zur Verknüpfung der Inhalte des Moduls mit den Serviceprojekten sowie Präsentations- und angeleiteten Reflexionsphasen begleitet. In den Reflexionsphasen sollen die Studierenden Potentiale und Grenzen der eingesetzten Methoden strukturieren und ihr gemeinnütziges Handeln vor dem Hintergrund der Relevanz von zivilgesellschaftlichem Engagement reflektieren. Die Input-, Beratungs- und Reflexionsphasen finden jeweils im Wechsel über das Semester verteilt statt.

Das Modul wurde erstmalig im Sommersemester 2014 umgesetzt. Insgesamt haben 36 Studierende mit sechs unterschiedlichen gemeinnützigen Organisationen zusammengearbeitet. Die zu bearbeitenden Service-Projekte, gemeinnützigen Kooperationspartner und angewendeten Methoden sind in Tab.1 abgebildet.

Tab.1  Service-Projekte im Modul

3.2  Methodik

Das Interesse in der Evaluation lag in der Beschreibung der Wirksamkeit des Service Learning-Moduls auf die erlebte Fähigkeitsentwicklung der Studierenden. Hierzu wurde ein Mixed-Methods-Ansatz (Creswell und Clark, 2010), d.h. eine Verbindung von quantitativen und qualitativen Datenformaten, verwendet, um ein Verständnis für die didaktische Gestaltung mit der erlebten Veränderung der Fähigkeiten der Studierenden zu generieren. Die quantitativen Datenformate wurden in einem Prä-Post-Design erhoben indem die Studierenden jeweils in der ersten Modulsitzung (t1) und der letzten Modulsitzung (t2) einen standardisierten Fragebogen auf Basis von Likert-Skalen (von 1=„trifft überhaupt nicht zu“ bis 5 =„trifft voll und ganz zu“) ausfüllten. Unter anderem wurde die Selbstwirksamkeit (Schwarzer und Jerusalem, 1999; 10 Items, αt1 = 0.87;αt2= 0.90; Beispiel-Item: Es bereitet mir keine Schwierigkeiten, meine Absichten und Ziele zu verwirklichen.) und die Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement (Mabry 1998; 5 Items, αt1 =αt2 = 0.73; Beispiel-Item: Einiges meiner Zeit geben, um Menschen, die Unterstützung brauchen, zu helfen.) erhoben. Am Ende des Moduls wurden qualitative Datenformate in Form problemzentrierter Interviews mit jeweils zwei Studierenden aus den jeweiligen Serviceprojekten (n = 10) erhoben und inhaltsanalytisch ( Mayring, 2010) ausgewertet.

Das Design der Erhebung und die Auswertung der Ergebnisse findet sich ausführlich in Gerholz, Liszt und Klingsieck (2015: 10ff). Nachfolgend werden ausgewählte Ergebnisse zur Veränderung der Selbstwirksamkeit und der Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement vorgestellt, da hier die Bezugspunkte zu der in Abschnitt 1 skizzierten Zielstellung der Lehrerbildung illustriert werden können.

3.3  Ausgewählte Ergebnisse: Selbstwirksamkeit und Engagement 3.3.1  Quantitative Befunde

In Tab.2 die quantitativen Befunde zur Veränderung der Selbstwirksamkeit und Einstellung zum Engagement aufgezeigt. Das Konstrukt der Selbstwirksamkeit meint das subjektive Empfinden, Anforderungssituationen mit den eigenen Fähigkeiten bewältigen zu können (Bandura, 2006). Es geht also darum, inwiefern die Studierenden das Gefühl hatten, auf Basis ihrer Fähigkeiten die Anforderungen im Service-Projekt erfüllen zu können. Die Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement zielt darauf ab, inwiefern die Studierenden durch die Service Learning-Erfahrungen Veränderungen hinsichtlich ihrer Position und Ansichten zum zivilgesellschaftlichen Engagement durchlaufen haben (Mabry, 1998).

Tab.2  Beschreibung der Instrumente

(5polige Likert-Skala, höhere Mittelwerte implizieren höhere Merkmalsausprägungen) (MW-Mittelwert, SD-Standardabweichung) (Gerholz, Liszt und Klingsieck, 2015)

Tab.2 illustriert, dass deskriptiv jeweils eine Zunahme über die Zeit in beiden Konstrukten zu beobachten ist. Eine ANOVA mit Messwiederholung zeigt auf, dass die Selbstwirksamkeit sich über die Zeit signifikant erhöht (F(1,26) = 6.99, p < 0.05, η2= 0.210), hier aber neben den moderaten Zeiteffekten auch Gruppeneffekte zu beobachten sind (F(5,26) = 4.10, p < 0.01, η2= 0.44). Letzteres illustriert, dass die Veränderung der Selbstwirksamkeit abhängig vom Service-Projekt bzw. der Gruppenarbeit ist. Hinsichtlich der Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement zeigt ebenfalls ein Effekt einer positiven Veränderung über die Zeit (F(1,26) = 5.91, p < 0.05, η2=0.190).

3.3.2  Qualitative Befunde

Die qualitativen Befunde haben das Potential, die Prozessmerkmale während des Service Learning-Arrangements besser zu verstehen und welche didaktischen Gestaltungsparameter einen Einfluss auf die Wirksamkeit haben. Beim verwendeten Mixed-Methods-Ansatz geht es dabei weniger um die Aufdeckung von Kausalitäten im Sinne der Erklärung der quantitativen Effekte über die qualitativen Datenformate, da die Erhebungskontexte und methodologischen Annahmen in den Zugängen – quantitativ und qualitativ – unterschiedlich sind. Vielmehr besteht das Potential, über die Kontrastierung der Daten zu einem tiefen Verständnis der Beziehung zwischen didaktischer Gestaltung und der erlebten Fähigkeitsentwicklung zu kommen.

Hinsichtlich der Selbstwirksamkeit zeigen die Ergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse auf, dass die Studierenden die erlebte Selbstwirksamkeit auf zwei Bereiche beziehen: Einerseits den Prozess der Problembearbeitung (Service-Prozess, 114 Kodiereinheiten (KE)) und andererseits die Erschließung der fachwissenschaftlichen Inhalte (Lernprozess, 36 Kodiereinheiten (KE)). Im Service-Prozess unterscheiden die Studierenden zwischen der Strukturierung des Prozesses (14% der KE; Ankerzitat:„Also am Anfang waren wir ein bisschen überfordert, da Struktur reinzubringen und im Laufe dessen hat sich das ganz gut entwickelt“ SG2, 75–76), der dabei erlebten sozialen Unterstützung (57% der KE; Ankerzitat „Ja mit dem Kooperationspartner wurde es nachher (.) schwierig“ SG3, 57–63) sowie dem Ergebnis im Service-Prozess (29% der KE; Ankerzitat:„Wir haben etwas Produktives erschaffen, was auch durchaus hilfreich sein kann.“ SG2, 110–111). In Gesamtbetrachtung der Daten wird dabei offensichtlich, dass v.a. die erlebte soziale Unterstützung von Kommilitonen, Akteuren in den gemeinnützigen Organisationen oder den Lehrenden im Modul einen positiven Einfluss auf die erlebte Selbstwirksamkeit im Service-Prozess haben. Hinsichtlich des Lernprozesses unterscheiden die Studierenden zwischen den Inputsequenzen im Modul (30% der KE; Ankerzitat:„Ja das haben wir ja hier in der Vorlesung gelernt wie man das macht.“ SG2, 155–156), den Beratungssequenzen (40% der KE; Ankerzitat:„also ich finde es sowieso sinnvoller das (der Dozent, K.H.G.) sich mit den Gruppen nochmal einzeln getroffen hat. Um dann wirklich auf die Probleme der einzelnen Gruppen einzugehen“ SG3, 425–426) und der Anwendung der Inhalte (30 % der KE; Ankerzitat:„Man ist besser aufgehoben, wenn man es dann selber ausprobiert“ SG 2, 211–212). Im Ergebnis werden von den Studierenden v. a. die Beratungssequenzen, in denen die Verknüpfung zwischen fachwissenschaftlichen Inhalten und Anforderungen im Serviceprozess im Mittelpunkt stand, und die Möglichkeit der konkreten Anwendung der Inhalte ein größerer Lerneffekt zugeschrieben. Zusammenführend lässt sich festhalten, dass die Studierenden dann ihr Handeln als wirksam empfinden, wenn ihnen einerseits eine soziale Unterstützung seitens der gemeinnützigen Organisation, der Kommilitonen oder des Dozenten zuteilwird und andererseits Möglichkeiten zur inhaltlichen Beratung und der konkreten Anwendung gegeben sind. Vor allem letzteres erscheint relevant, wenn es darum geht, dass die Studierenden die Fähigkeit entwickeln, wissenschaftliches Wissen und Erfahrungswissen in der Anwendungssituation aufeinander zu beziehen.

Die Studierenden wurden in der Befragung und in den Interviews hinsichtlich ihrer erlebten Veränderung der Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement gefragt. Die qualitativen Befunde zeigen dabei auf, dass die Einstellung zu zivilgesellschaftlichen Engagement sich im Modul über drei Bereiche erstreckt: (1) Einblicke in gemeinnützige Handlungsfelder, (2) Entwicklung einer Position zu gesellschaftlichem Engagement und (3) Veränderung Engagementbereitschaft. Nahezu alle Studierenden berichteten in den Interviews, dass sie über das Modul Einblicke in gemeinnützige Handlungsfelder bekommen haben (28 % der KE; Ankerzitat:„Ich finde es wird einem deutlich, dass es halt wirklich Menschen gibt (...) die auf ehrenamtliche Arbeit angewiesen sind.“ SG3, 280–282). Diese Einblicke sind meist auch der Ausgangspunkt einer Positionsentwicklung die von der Erkennung der Relevanz von Engagement (Ankerzitat:„Wir haben mal gesagt in der Gruppe, ohne ehrenamtliche Tätigkeit gibt es für uns keine funktionierende Gesellschaft.“ SG4, 360–362) bis hin zu normativen Positionen (36% der KE; Ankerzitat:„Ich find das sehr wichtig, dass sich eigentlich der Einzelne gesellschaftlich einbringt.“ SG1, 442–444) reichen. Hinsichtlich der Engagementbereitschaft gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen der Studierenden welche sich von der Bestätigung bisherigen Engagements bis zur erhöhten Bereitschaft durch das Modul erstrecken (36% der KE; Ankerzitat:„dass ich auch versuchen werde jetzt, wenn ich die Uni verlasse, dass ich dann mich auch irgendwo noch einsetzen werde. (...) Das hat sich durch das Modul echt grundlegend geändert.“ SG4, 49–54). Zusammenführend zeigt sich, dass eine Einstellungsänderung zum Engagement unterschiedliche Akzentuierungen aufzeigt. Dabei kann v.a. das Element der Entwicklung einer Position zu gesellschaftlichen Engagement als ein Hauptanliegen im Rahmen des Service Learning-Konzeptes aber auch für die Lehrerbildung (Abschnitt 2.3) herausgestellt werden.

3.3.3  Zusammenführung der Befunde aus der Pilotstudie

Aus didaktischer Perspektive zeigen die Ergebnisse der Pilotstudie auf, dass die Wirkung des Service Learning-Moduls einerseits im Zusammenhang mit der Verknüpfung der service- und lernorientierten Aktivitäten und andererseits mit der wahrgenommenen sozialen Unterstützung steht.

Ersteres weist auf den Aspekt hin, inwiefern es in der didaktischen Gestaltung eines Service Learning-Moduls gelingt, die Lerninhalte mit dem Serviceprozess zu verknüpfen. Die Ergebnisse der Pilotstudie geben Hinweise, dass die beratungsorientierten Lernformen von den Studierenden hier als hilfreich empfunden werden. Vor allem in Hinblick auf die Strukturierung des Prozesses der Problembearbeitung und der Integration der fachwissenschaftlichen Inhalte. Hinsichtlich der wahrgenommenen sozialen Unterstützung illustrieren die Ergebnisse, dass das Zusammenspiel zwischen den einzelnen Akteuren– gemeinnützige Organisation, Dozenten und Studierende – einen Einfluss auf die Wirksamkeit des Service Learning-Moduls hat. Die unterschiedlichen Rollen der Akteure sollten zu Beginn dargestellt werden, u.a. dahingehend, welche Unterstützung möglich ist. So wird in den Interviews von den Studierenden z.T. die gering wahrgenommene Unterstützung seitens der gemeinnützigen Organisationen erwähnt, gleichzeitig aber nicht formuliert, welche Unterstützung sich die Studierenden vorgestellt haben. Hier zeigt sich die Wichtigkeit des Elementes der Gegenseitigkeit von Godfrey, Illes und Berry (2005), indem Service Learning eine partnerschaftliche Lernerfahrung darstellt, in welcher das Erfahrungswissen der gemeinnützigen Organisation und das konzeptionelle Wissen der Studierenden zusammengeführt werden müssen.

Die Zusammenführung der Ergebnisse und den ersten aufgezeigten Gestaltungsorientierungen müssen im Licht der Pilotstudie betrachtet werden, die in der Belastbarkeit aufgrund der geringen Fallzahlen Grenzen hat. Weiterhin wurde bei der Erhebung der Konstrukte mit den Selbstauskünften der Studierenden gearbeitet.

4  Potentiale für die Lehrerbildung

Anliegen des vorliegenden Aufsatzes war es, eine konzeptionelle Modellierung des Service Learning-Konzeptes für die Lehrerbildung anzubieten (Abschnitt 2) und auf Basis einer Pilotstudie (Abschnitt 3) die Wirksamkeit und Potentiale dieses Konzeptes zu illustrieren.

Nimmt man die zu Beginn skizzierten Charakteristiken von Lehrsituationen, so zeigt sich, dass über Service Learning das Potential besteht, die Studierenden für die Relationierungsaufgabe von wissenschaftlichen und erfahrungsbasierten Wissen in einem konkreten Anwendungskontext – hier das „Service-Projekt“– vorzubereiten. Die Ergebnisse der Pilotstudie zeigen dabei auf, dass hierbei aber die didaktische Begleitung relevant ist, damit die Studierenden nicht nur dem „Primat der Praxis“ folgen, d.h. sich wirksam in der Problembearbeitung erleben, sondern auch eine Wirksamkeit bei der Hinzuziehung wissenschaftlicher Konzepte und Verfahren während der Problembearbeitung erfolgt. In der Pilotstudie spiegelte es sich über die Kategorien „Selbstwirksamkeit Serviceprozess“ und „Selbstwirksamkeit Lernprozess“ wider. Weiterhin zeigte sich, dass die Studierenden Erfahrungen im Umgang mit nicht-standardisierten Situationen gewinnen, was sich in der Unterkategorie ‚Strukturierung des Prozesses’ widerspiegelte. Vor allem zu Beginn des Service-Prozesses – u.a. durch den häufig nicht gewohnten gemeinnützigen Charakter– empfanden es die Studierenden herausfordernd, die Situationen zu bewerkstelligen. Nimmt man die Ergebnisse zur Einstellung zum zivilgesellschaftlichen Engagement zeigt sich die Relevanz der „Nähe und Distanz“ zum Gegenstand. Erst in Reflexion der Einblicke in den gemeinnützigen Bereichen konnte eine Positionsentwicklung angestoßen werden, was sich u.a. in den Kategorisierungen der Ergebnisse der Inhaltsanalyse zeigt (Abschnitt 3.3.2). Letzteres unterstreicht das Potential von Service Learning eine integrierte Kompetenzentwicklung fachlich-methodischer wie personaler Ebene zu fördern, indem ein ganzheitlicher Zugang von Sach-, Sozial- und Wertbezügen über gemeinnützige Handlungsfelder erreicht werden kann.

Aus Gestaltungsperspektive zeigt sich hierbei, dass den begleitungsorientierten Methoden eine hohe Relevanz zukommt. Dabei ist zu beachten, dass die Studierenden sich zwei Bezugssystemen gegenübersehen: Zum einen die Praxis im Sinne der gemeinnützigen Organisationen und zum anderen die Wissenschaft im Sinne der Dozenten im Service Learning-Modul. Hierbei ist es bedeutsam, dass beide Bezugssysteme sich in der Begleitung abstimmen, damit den Studierenden eine kohärente Orientierung geboten wird. Aus Forschungsperspektive ist es relevant, zukünftig die Selbstwirksamkeit – der Tradition von Bandura folgend (Bandura, 2006) – kontextspezifisch zu operationalisieren. Dabei geht es um die Differenzierung Selbstwirksamkeit in der Problembearbeitung und Selbstwirksamkeit in der Bezugnahme auf die Relationierung von wissenschaftlichen Wissen und Erfahrungswissen.

Das Konzept des Service Learning hat seine Ursprünge im US-amerikanischen Raum und wird zunehmend auch im deutschsprachigen Raum aufgenommen, sowohl aus Gestaltungs- wie auch Forschungsperspektive. Der Diskurs darum befindet sich in der Entwicklung. Der vorliegende Beitrag versteht sich dabei auf eine Rekonstruktion und Systematisierung von Service Learning in der Lehrerbildung, v.a. hinsichtlich der didaktischen Integration von Praxiselementen. In diesem Sinne geht es darum, Service Learning als ein bereicherndes Veranstaltungsformat in der Lehrerbildung zu sehen.

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[1] In dem Modell zeigen sich strukturelle Ähnlichkeiten zu den curricularen Prinzipien nach Reetz, wonach Curricula einer Wissenschafts-, Situations- oder Persönlichkeitsorientierung folgen können (Reetz, 2000).